Seit dem 1. Februar 2021 hat Martin Anderegg die fachliche und operative Leitung unseres Beratungsbereichs übernommen und baut das neue Consultingangebot zu Gesundheitsschutz, Sicherheit und Umweltschutz (Health, Safety, Environment, kurz HSE) auf. Der national und international erfolgreiche Sicherheitsdirektor berichtet uns über die vielfältigen HSE-Themen und nimmt Stellung zu zentralen Fragen, die für jedes Unternehmen von Bedeutung sind.

Die Themen unter «Health, Safety, Environment» sind sehr vielfältig. Was ist der gemeinsame Nenner?
Der Bereich ist sehr gross und die einzelnen Themen greifen oft ineinander. Dadurch wird die Thematik komplex, aber auch so interessant. Die Faszination an HSE macht der Mensch aus. Es geht um seine Gesundheit, um seine Sicherheit und um den Schutz unserer Umwelt. Egal ob es sich um Mitarbeitende, Kunden, Besucher oder Lieferanten handelt, ob es ältere Mitmenschen oder Kinder sind, der Mensch steht im Mittelpunkt und ihn gilt es zu schützen. Der Mensch in seiner Verschiedenheit, mit seinen Gefühlen und Stimmungen ist niemals berechenbar und erfordert eine hohe Individualität der HSE-Lösungen. Das übergreifende Ziel ist Menschen sicherer zu machen.

Wo soll ein Unternehmen ansetzen, um das Arbeitsumfeld sicherer zu machen?
Die Grundlage für Verbesserungen liegt darin, die eigenen Risiken zu kennen. Das tönt simpel, ist es aber nicht. Einerseits muss die eigene Betriebsblindheit überwunden werden und anderseits gilt es, das Unterwartete mit in die Beobachtung einfliessen zu lassen. Dazu braucht es neben einem geschulten Auge auch sehr viel Erfahrung. Allein die Tatsache, dass es gut geht und nichts passiert bedeutet nicht, dass es keine Risiken gibt. Leider machen wir immer wieder die Erfahrung, dass sich nach langen unfallfreien Perioden plötzlich ein sehr schwerer oder sogar tödlicher Arbeitsunfall ereignet. Das wollen wir gemeinsam mit unseren Kunden verhindern. Ganz wichtig ist es, die Mitarbeitenden, Kunden und weiteren Menschen im Unternehmen bei der Analyse mit einzubeziehen. Für sie und mit ihnen gemeinsam wollen wir das Arbeitsumfeld sicherer machen.

Wie schafft man es, die Arbeitssicherheit nachhaltig zu verbessern und das Niveau zu halten?
In meiner Tätigkeit während der letzten acht Jahre haben wir eine massive Reduktion der Unfälle sowie der Ausfalltage der Mitarbeitenden erreicht. Für mich stehen dabei nicht so sehr die Zahlen im Vordergrund, sondern die Menschen. Das Hauptziel ist, Schmerz und Leid für die Betroffenen und ihre Familien zu verhindern. Wie bereits eingangs geschildert geht es um eine Vielzahl von ineinandergreifenden Themen. Diese gilt es, individuell auf den Betrieb abgestimmt zu bearbeiten. Der Schlüssel zum Erfolg basiert auf drei Schritten:

  1. Eine fundierte Analyse des Ist-Zustands mit den offensichtlichen und versteckten Risiken.
  2. Gezielte Massnahmen zur Erhöhung der technischen, passiven und aktiven Sicherheit.
  3. Einbezug, Sensibilisierung und Schulung der Mitarbeitenden zur Schaffung einer Sicherheitskultur.
    Dabei muss man sich bewusst sein: Sicherheit kann man nicht einfach «machen». Sicherheit erfordert auch nicht zwangsläufig hohe Investitionen. Punktuell kann und muss man gefährliche Situationen durch entsprechende Massnahmen eliminieren. Doch letztendlich geht es um das Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren, die zum Erfolg führen. Um Arbeitssicherheit nachhaltig zu verbessern braucht es alle, vom Lernenden bis zum Geschäftsführer. Sicherheit muss gelebt und vorgelebt werden. Aber eine isolierte Sicherheitskultur ist zum Sterben verurteilt. Die Sicherheitskultur muss ein fester Bestandteil der Firmenkultur werden.

Was sind Beispiele für gefährliche Situationen, auf die wir in der Ist-Analyse von Unternehmen immer wieder stossen?
Die Schwachstellen sind grundsätzlich abhängig vom Arbeitsumfeld. In Büros sind die Risiken naturgemäss kleiner als in der Produktion oder Logistik. Auf der anderen Seite ist auch das Risikobewusstsein von Büromitarbeitenden meistens nicht so ausgeprägt, was zu einigen unnötigen Gefahren führt. So ist zum Beispiel häufig die Verkabelung mit diversen Stolperfallen ein Problem, das an sich einfach zu beheben wäre. Ebenso gibt es oft Mängel in der Ergonomie der Arbeitsplätze, die sich in längerfristigen Gesundheitsschäden äussern können. In der Produktion oder der Logistik sind die Mitarbeitenden eher auf höhere Risiken sensibilisiert. Dennoch kommt es immer wieder zu Situationen, die ein grosses Gefahrenpotential haben. Ich denke da an die Lagerung von gefährlichen Stoffen, den Zustand von Regalen oder die Sicherheit von Maschinen sowie Gefahren im Werksverkehr. Häufig verändern sich diese Situationen schleichend über die Zeit und werden immer gefährlicher. Somit sind sie für die Mitarbeitenden schwerer zu erkennen als für Aussenstehende.

Was sind die aktuellen HSE-Herausforderungen für Unternehmen im Jahr 2021?
Die Erfahrungen des letzten Jahres mit der nach wie vor aktuellen Pandemie haben uns gezeigt, wie stark unser gewohntes Leben sowohl privat als auch geschäftlich verändert werden kann. Die Auswirkungen auf den HSE-Bereich sind gross und haben Berührungspunkte in allen Bereichen. So vielfältig die verschiedenen Branchen sind, so verschieden sind auch die Herausforderungen für die Unternehmungen. Jede Firma ist bestrebt, unter den veränderten Rahmenbedingungen zu überleben und den Betrieb aufrecht zu erhalten. Der psychische und physische Druck hat zugenommen. Im HSE geht es darum, die aus den Veränderungen resultierenden Risiken zu erkennen und entsprechende Massnahmen zu definieren. Das sind grosse Herausforderungen und es benötigt viel Fingerspitzengefühl, Erfahrung aber auch Durchsetzungsvermögen, um diese erfolgreich zu bewältigen. Mein Bestreben ist es, dass die Unternehmen trotz aller Veränderungen den Fokus auf ihr wertvollstes «Gut», den Menschen nicht verlieren. Ihn gilt es zu schützen, sowohl vor Krankheit als auch vor Unfall.

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