Schlaf und Schichtarbeit – Herausforderungen und gesundheitliche Folgen
Schichtarbeit ist in vielen Branchen unverzichtbar, stellt jedoch eine erhebliche Herausforderung für die Gesundheit dar. Besonders der Schlaf leidet unter den wechselnden Arbeitszeiten, was langfristige Auswirkungen auf das körperliche und geistige Wohlbefinden haben kann. Wie beeinflusst Schichtarbeit den Schlafrhythmus? Welche gesundheitlichen Folgen kann chronischer Schlafmangel haben? Und warum fällt es so schwer, sich an diese Arbeitsweise anzupassen? Monika Suter, Head of HR Operations & Health Lifetec, geht im ersten Teil ihrer dreiteiligen Interview-Serie den Ursachen auf den Grund und beleuchtet die gesundheitlichen Risiken, die mit Schichtarbeit verbunden sind.
Warum ist Schlaf ein so wichtiges Thema für Schichtarbeitende?
Schlaf ist einer der vier zentralen Pfeiler der Gesundheit, neben Ernährung, Bewegung und einem Sozialleben. Durch wechselnde Arbeitszeiten, insbesondere Nachtschichten, wird der Schlaf jedoch erheblich gestört. Unser Körper ist darauf programmiert, nachts zu schlafen. Tagsüber ist die Schlafqualität oft schlechter, da er nicht dem natürlichen Schlafrhythmus entspricht. Das kann langfristig gesundheitliche Folgen haben.
Welche Herausforderungen bringen wechselnde Arbeitszeiten für den Schlafrhythmus mit sich?
Schichtarbeit beeinflusst das Ein- und Durchschlafen negativ und führt zu weniger erholsamem Schlaf. Viele Schichtarbeitende empfinden zudem Druck, nach einer Nachtschicht schnell und effizient zu schlafen, um für die nächste Schicht wieder leistungsfähig zu sein. Dies kann zu Schlafstörungen und chronischem Schlafmangel führen.
Wie hat Ihre Erfahrung im Notfallbereich den Blick dafür geschärft, wie Schichtarbeit die Gesundheit beeinträchtigen kann?
Schichtarbeit ist eine erhebliche Belastung für den Körper, unabhängig davon, wie gesund ein Mensch ansonsten lebt. Sie erhöht das Risiko für verschiedene Erkrankungen. Finanzielle Entschädigungen, sogenannte Inkonvenienzentschädigungen, sind letztlich nur eine Symptombekämpfung und beheben nicht die gesundheitlichen Risiken.
Warum leiden viele Schichtarbeitende unter Schlafstörungen oder Schlafmangel?
Ein zentraler Grund für Schlafprobleme bei Schichtarbeitenden ist die Störung der inneren Uhr. Ein Drittel aller physiologischen Prozesse im Körper folgt einem zirkadianen Rhythmus, der sich unter anderem auf den Schlaf-Wach-Zyklus auswirkt. So steigt die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin ab etwa 22 Uhr an und nimmt gegen 7 Uhr morgens wieder ab. Gleichzeitig erreicht die Körpertemperatur gegen 3 Uhr nachts ihren Tiefpunkt. Diese natürlichen Prozesse werden durch Schichtarbeit empfindlich gestört, da der Körper sich nicht an feste Schlafzeiten anpassen kann.
Die Auswirkungen sind beträchtlich: Rund 20 % der Schichtarbeitenden verlassen diesen Arbeitsbereich innerhalb des ersten Jahres aufgrund gesundheitlicher oder persönlicher Probleme (SECO). Etwa 70 % der Beschäftigten lernen, sich mit der Schichtarbeit zu arrangieren, wenn auch mit Einschränkungen. Lediglich 10 % der Nachtarbeitenden in der Schweiz bewerten ihre eigene Gesundheit als unproblematisch. Besonders alarmierend ist, dass rund 30 % der Schichtarbeitenden langfristig das sogenannte Schichtarbeitersyndrom entwickeln – das ist eine Kombination aus Schlafstörungen, Erschöpfung und gesundheitlichen Beschwerden, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen kann.
Wie lange braucht der Körper, um sich von Schichtarbeit zu erholen?
Während sich der Schlaf bereits nach wenigen Monaten normalisieren kann, dauert es 6-7 Jahre, bis die gesundheitlichen Risiken durch Schichtarbeit zurückgehen. Der Körper muss seine innere Uhr langfristig neu justieren, um das Risiko für chronische Krankheiten zu senken.
Welche gesundheitlichen Folgen kann chronischer Schlafmangel haben?
Chronischer Schlafmangel kann erhebliche gesundheitliche Folgen haben, da Schlaf eine zentrale Rolle für viele körperliche und geistige Funktionen spielt.
Metabolische Erkrankungen: Ein dauerhaft gestörter Schlafrhythmus erhöht das Risiko für Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht und Arteriosklerose. Durch die Störung des Stoffwechsels kann es zudem zu einer verminderten Insulinsensitivität kommen, was das Risiko für Diabetes Typ 2 fördern kann.
Gehirn und kognitive Funktionen: Schlafmangel beeinträchtigt die Konzentrationsfähigkeit, das Gedächtnis und die Entscheidungsfindung. Studien zeigen, dass chronischer Schlafmangel das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer erhöhen kann.
Immunsystem: Menschen mit dauerhaft schlechtem Schlaf sind anfälliger für Infektionen, da das Immunsystem geschwächt wird. Zudem steigt das Risiko für chronische Entzündungen, die wiederum mit einer Vielzahl von Krankheiten – einschliesslich Krebs – in Verbindung gebracht werden.
Psychische Gesundheit: Chronischer Schlafmangel kann das Risiko für Depressionen und Angststörungen erhöhen. Auch eine verringerte Stresstoleranz und ein höheres Burnout-Risiko sind nachweislich mit schlechtem Schlaf verbunden.
Wie oben erwähnt, reguliert sich das Risiko für viele dieser Erkrankungen nach 6-7 Jahren wieder auf das Niveau von Menschen ohne Schichtarbeit, sofern die Schlafqualität und der Lebensstil entsprechend angepasst werden.