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Wenn der Job den Schlaf raubt: Wie eine gezielte Schlafschulung Schichtarbeitende schützt

Schichtarbeit ist für viele Branchen unverzichtbar. Für die Menschen, die im Schichtbetrieb arbeiten, ist das jedoch eine enorme Belastung. Schlafstörungen, chronische Müdigkeit, gesundheitliche Beschwerden: Für viele Schichtarbeitende sind das keine Ausnahmen, sondern konstante Begleiterscheinungen im Alltag.

Dr. Vorster vom Swiss Sleep House Bern und Monika Suter von Lifetec haben deshalb eine 4-stündige Schlafschulung für Schichtarbeitende entwickelt. Im Gespräch erklärt Dr. Vorster, warum dieses Training so wichtig ist und wie es Betroffenen helfen kann, sie gesund durch den Schichtalltag zu bringen.

Herr Dr. Vorster, wie ist Ihnen, gemeinsam mit Frau Suter von Lifetec, die Idee gekommen, speziell eine Schlafschulung für Schichtarbeitende zu entwickeln?

Die Mission des Swiss Sleep House Bern ist es, nicht nur Patienten mit Schlaferkrankungen zu helfen, sondern auch Unternehmen. Wir beraten daher schon seit der Gründung des Swiss Sleep Houses Bern Unternehmen zum Thema Schichtarbeit. Etwa 7% der Schweizer Arbeitnehmenden arbeiten in Nachtschichten, mehr als die Hälfte davon entwickelt mittelfristig Schlaf- und Gesundheitsprobleme. Diese lassen sich durch Präventionmassnahmen zu einem guten Teil vorbeugen.

Wie stark basiert die Schulung auf den neuesten Erkenntnissen der Schlafforschung?

Wir sind hier in Bern eine der führenden neurologischen Universitätskliniken im Bereich der internationalen Schlafforschung. Gleichzeitig behandeln wir mehrere Tausend Patienten mit Schlaferkrankungen jährlich. Das bedeutet, dass unser Wissen sowohl auf theoretischem als auch praktischem Wissen fusst. Dabei setzen wir durchgehend auf die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Schlafforschung.

Warum ist gerade für Schichtarbeitende eine gezielte Schlafschulung so wichtig?

Das Erkrankungsrisiko für beinahe alle bekannten Schlaferkrankungen ist bei Schichtarbeitenden massiv erhöht: Insomnie, Schlaf-Apnoe, Zirkadiane-Rhythmusstörungen, Parasomnien. Aufgrund dessen gibt es eine eigene medizinische Bezeichnung der resultierenden Symptomatik: das so genannte Schichtarbeitersyndrom. Dabei handelt es sich um eine Berufskrankheit, die nach dem Arbeitsrhythmus benannt ist. Ein Schichtarbeitender hat vier Probleme: Er schläft unregelmässig, zu kurz, zu einem falschen Zeitpunkt und arbeitet zu einem Zeitpunkt, der für den Körper sehr belastend ist. Ohne eine professionelle Schulung drohen fast unweigerlich Schlafprobleme. Das lässt sich mit der Arbeit in einem chemischen Labor vergleichen, in dem ohne entsprechende Schutzkleidung und Sicherheitseinweisungen gearbeitet wird. 

Welche typischen Fehler machen Schichtarbeitende beim Schlafen, und wie kann ein Training dabei helfen, diese zu vermeiden?

Da gibt es sehr viele unterschiedliche Fehler, die Schichtarbeitende machen. So versuchen sie beispielsweise, mit Nachdruck nach einer Nachtschicht schnell einzuschlafen oder vor einer Frühschicht früher als gewöhnlich ins Bett zu gehen. Mitunter planen sie nicht ausreichend Regenerationszeit an den freien Tagen ein. Auch Sport im Freien als Ausgleich und Taktgeber sowie eine gute Nahrungsplanung, die zur inneren Uhr passt, werden unterschätzt.

Gibt es Best-Practice-Beispiele aus anderen Ländern, in denen Schlaf-Workshops bereits erfolgreich eingesetzt wurden?

In den USA gibt es solche Trainings mitunter. Systematisch werden sie jedoch meines Wissens in keinem Land angeboten. Generell ist jedoch das Bewusstsein für solche Massnahmen gering, da sie zunächst nur als Kosten gesehen werden und nicht als Verlustminimierer aufgrund von Krankheitsausfällen. 

Welche konkreten Verbesserungen können Schichtarbeitende mit dem Einhalten einer Schlaf-Routine erwarten?

Eine höhere Lebenszufriedenheit, eine bessere Gesundheit und ein geringerer Krankenstand – insbesondere Depressionen (Burnout) und Herzkreislauferkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall) sind bei diesen Menschen ein Thema. Ohne eine gute (Schlaf-)Technik hält man Schichtarbeit nur in seltenen Fällen bis ins höhere Alter durch. Vorher macht sich der Körper bemerkbar. Ich erlebe immer wieder Menschen, die auch ohne eine Schulung lange durchhalten. Diese haben meist intuitiv die richtigen Dinge gelernt: Insbesondere den Schlaf zu priorisieren und ein gutes Schlafverhalten zu entwickeln. Und sie haben ihren Sport sowie ihre Ernährung entsprechend angepasst. Ich glaube, dass jeder Schichtarbeitende dieses Wissen erlernen kann. Denn es ist traurig, wenn der eigene Körper einen dazu zwingt, einen Beruf aufzugeben, den man eigentlich liebt.

Fazit

Schichtarbeit bleibt ein Balanceakt, aber einer, den man lernen kann. Die neue Schlafschulung von Swiss Sleep House Bern und Lifetec zeigt, wie Prävention funktionieren kann: wissenschaftlich fundiert, praxisnah und mit einem Ziel vor Augen:  gesunde Mitarbeitende, die ihre Arbeit nicht aufgeben müssen, weil sie sie lieben.

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